Handreichung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.Februar 2010 -1 BvL 1/09

Die LINKE

Im Bundestag

Positionspapier

Wolfgang Nešković, Justitiar und rechtspolitischer Sprecher der Fraktion, Richter am Bundesgerichtshof a.D. / 24.02.2010

Handreichung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.Februar 2010 -1 BvL 1/09- 🙄

I. Feststellungen zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums

1. Das soziale Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wurde erstmals ausdrücklich als solches anerkannt. Der über die Schutzpflicht des Staates hinausweisende subjektive Gehalt des Existenzminimums wurde gestärkt. Das Bundesverfassungsgericht setzt damit seine bisherige Rechtsprechung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konsequent fort. Darin liegt zugleich eine Ermutigung des Verfassungsgesetzgebers, weitere soziale Grundrechte
anzuerkennen.

◊ BVerfG: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (…). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind (vgl. BVerfGE 35, 202 ; 45, 376 ; 100, 271).“1

2. Der unmittelbar aus der Verfassung folgende Leistungsanspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum umfasst die physische Existenz und die gesellschaftliche, kulturelle und politische Teilhabe.

◊ BVerfG: „Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (…), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (…).“2

3. Der Leistungsanspruch ist begrenzt auf die Mindestsicherung des Existenzminimums.

◊ BVerfG: „Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind.“3
1 BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Absatz- Nr. 133,

http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html,

2 Ebd., Absatz- Nr. 135
3 ebd., Absatz- Nr. 134
2

4. Der Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist bedingungsfeindlich. Kürzungen und anderweitige mittelbare Sanktionen sind damit unvereinbar.

◊ BVerfG: „Das Grundrecht ist „dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden.“4 „Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (…).“5

5. Der Umfang des Leistungsanspruchs richtet sich auch nach den individuellen Bedürfnissen und entwickelt sich mit geänderten sozialen Umständen. Daraus folgt zwingend ein verfassungsrechtlicher Anspruch für besondere Bedarfe des Individuums.

◊ BVerfG: „Der Umfang dieses Anspruchs … hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt. “6.

„Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem unvereinbar, dass im Sozialgesetzbuch Zweites Buch eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf erforderlich, der nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.“7

6. Das Konstrukt der „Bedarfsgemeinschaft“ ist verfassungswidrig, soweit die hiervon erfassten Personen keine subjektiv durchsetzbare(zivilrechtlichen) Ansprüche gegeneinander haben.

◊ BVerfG: „Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist.“8.

7. Der Gesetzgeber muss die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst durch ein Parlamentsgesetz treffen. Er muss zur Festlegung des Leistungsumfangs ein transparentes und sachgerechtes Verfahren wählen.

4 ebd., Absatz- Nr. 135
5 ebd., Absatz-Nr.137
6 ebd., Absatz-Nr.138
7 Ebd., Absatz-Nr.204
8ebd., Absatz- Nr.136
3

◊ BVerfG: „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält. Dies findet auch in weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen seine Stütze. Schon aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen.“9 Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor.“10

8. Der Gesetzgeber entscheidet im Rahmen seines politischen Gestaltungsspielraums über den Umfang der Leistung. Er hat dabei aus verfassungsrechtlicher Sicht zu gewährleisten, dass der Anspruch nicht evident unzureichend ist. Darüber hinaus muss das Verfahren zur Bestimmung der Höhe geeignet sein und folgerichtig angewendet werden. Er muss dauerhaft den Anspruch realitätsgerecht anpassen und zeitnahe Anpassung an geänderte gesellschaftliche Bedingungen vorsehen.

◊ BVerfG: „Dieser (Gestaltungsspielraum) umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher

Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht.“11 Das dergestalt gefundene Ergebnis ist zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln. Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er …einen Festbetrag vorsieht.12

Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich – bezogen auf das Ergebnis – die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind.“13

9. Das Bundesverfassungsgericht negiert zusätzliche Maßstäbe für die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums aus den anderen Grundrechten. Daher ist der Leistungsanspruch höchstpersönlich. Der Leistungsanspruch besteht bspw. unabhängig vom Familienstand.

◊ BVerfG: „Andere Grundrechte, wie zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG, vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist von Verfassungs wegen allein, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es hier nicht.“

9 Ebd., Absatz-Nr.136
10 ebd., Absatz- Nr.139
11 Ebd., Absatz- Nr. 138
12 Ebd., Absatz-Nr.140
13 Ebd. Absatz-Nr.141
4

I. Kritik am Urteil aus rechts- und sozialpolitischer Sicht

10. Die Prüfung, ob die Leistungen nach dem SGB II evident unzureichend sind, erfolgt sehr oberflächlich. Das physische Existenzminimum erfährt aufgrund des engeren Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers die volle Aufmerksamkeit des Bundesverfassungsgerichts. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Ermöglichung des Mindestmaßes an gesellschaftlicher, politischer und kultureller Teilhabe wird demgegenüber – ohne nachvollziehbare Begründung – vernachlässigt. Das Bundesverfassungsgericht reißt den einheitlichen verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch – wiederum ohne Begründungauseinander.

Warum der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bezüglich der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Teilhabe weiter sein soll, erschließt sich nicht.

11. Warum sich das Bundesverfassungsgericht allein auf die Untersuchungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge beruft, wird auch nicht begründet. Die Frage, ob die SGB-II Empfänger/innen tatsächlich („realitätsgerecht“) von diesem Geld leben können, oder auf zusätzliche „freiwillige“ Hilfe von Dritten (bspw. Suppenküchen etc.) angewiesen sind, wird nicht geprüft.

12. Das Bundesverfassungsgericht erkennt einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wie er das Existenzminimum sichert, an. Geld-, Sach- und Dienstleistungen seien möglich. Dies
wird nicht begründet. Diese Vorgabe ist bedenklich. Schließlich soll der Anspruch ein menschenwürdiges Dasein sichern. Dies bedeutet auch, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben, um nicht ausgegrenzt und sozial stigmatisiert zu werden. Sind die Hilfebedürftigen allerdings auf Sach- oder Dienstleistungen angewiesen, sind sie eher als Leistungsberechtigte zu erkennen. Damit steigt zwangsläufig die Gefahr einer Stigmatisierung.

JA zu einem Bündnis für sozialen Fortschritt und GEGEN eine Dekadenz der Herrschenden

Katja Kipping, MdB Linksfraktion – Heutige Rede im Deutschen Bundestag zu den Regelsätzen von Hartz IV

25.02.2010

JA zu einem Bündnis für sozialen Fortschritt und GEGEN eine Dekadenz der Herrschenden 🙄

Umgehend Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.02.2010 ziehen: eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung von 500 Euro für Erwachsene einführen

Katja Kipping (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Wortwahl „spätrömische Dekadenz“ war Herr Westerwelle möglicherweise selbstkritischer, als ihm selber bewusst ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn im späten Rom ging die Dekadenz von den Herrschenden aus. Welche Dekadenz erleben wir heute? Minister wie Westerwelle bekommen für Vorträge bei Banken 7 000 Euro.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Mindestens!)

Ministerpräsidenten wie Rüttgers bekommen von Firmen für ein Kurzgespräch, quasi für einen Gesprächsquickie, mehrere Tausend Euro. Kurzum: Führende Politiker in diesem Land werden zu Herren für gewisse Minuten,

(Beifall bei der LINKEN)

wobei ihr Minutensatz deutlich über dem Stundensatz von Edelprostituierten liegt.

((Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder (CDU/CSU): Gysi hat doch kassiert, Lafontaine hat doch kassiert! Jetzt hören Sie auf da vorne!)

Das ist die Dekadenz, über die wir reden müssen. Wenn Sie hier über Leistungsgerechtigkeit reden, dann denken Sie daran: 7 000 Euro für einen Kurzvortrag!
Vor kurzem kam ein Mann in mein Wahlkreisbüro, der halbtags für eine Hilfsorganisation arbeitet. Er ist viel ehrenamtlich tätig und engagiert sich für die Katastrophenhilfe für Haiti. Dieser Mann geht mit 1 000 Euro im Monat nach Hause. Für 7 000 Euro muss er sieben Monate arbeiten. Glaubt hier jemand ernsthaft, dass das etwas mit Leistung zu tun hätte? Glauben Sie denn ernsthaft, dass ein Vortrag von Westerwelle dieselbe Leistung ist wie sieben Monate Arbeit für eine Katastrophenhilfe?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wer davon überzeugt ist, der möge jetzt bitte vortreten und das der geneigten Öffentlichkeit kundtun und vertreten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, es geht hier nicht um Leistungsgerechtigkeit, sondern um ein ganz altes Prinzip der Ungerechtigkeit: Wer hat, dem wird gegeben, wer wenig hat, dem wird auch noch das wenige genommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie ungeheuerlich die Hetze ist, die Sie vonseiten der FDP losgetreten haben, wird vor folgendem Hintergrund deutlich: Es gibt die Studie „Deutsche Zustände“ von Professor Heitmeyer, der die Einstellung zu bestimmten Menschengruppen untersucht. Er kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: Die Ablehnung gegenüber Menschen, die als vermeintlich nutzlos eingestuft werden, also gegenüber Langzeiterwerbslosen und Obdachlosen, steigt extrem. Herr Heitmeyer sagt, das habe inzwischen einen Grad an Menschenfeindlichkeit angenommen. Ich meine sogar: Was sich hier entwickelt, ist ein neuer Rassismus, ein Nützlichkeitsrassismus. Das Gefährliche daran ist: Wenn ein solcher Rassismus erst einmal eine gewisse Intensität erreicht hat, dann sinkt die Hemmschwelle für gewaltsame Übergriffe. Wir beobachten, dass die Zahl der gewaltsamen Übergriffe brauner Schlägertrupps gegenüber Obdachlosen deutlich zugenommen hat. Vor diesem Hintergrund müssten sich alle, die nur einen Funken Verantwortung im Leib haben, diesen Ressentiments entgegenstellen. Wir alle müssen uns als Politiker und Politikerinnen dem Nützlichkeitsrassismus entgegenstellen. Doch was passiert? Sie schüren munter weiter und spielen mit dem Feuer. Das ist hochgefährlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun gibt es immer wieder Einwände gegen die Forderungen der Linken. Ein Einwand lautet, dass der von uns geforderte Regelsatz in Höhe von 500 Euro nicht durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gedeckt sei. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin: Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gesagt, der Gesetzgeber muss nachweisen, dass das menschenwürdige Existenzminimum nicht unterschritten ist. Es hat nicht das Überschreiten verboten. Das Bundesverfassungsgericht sagt ganz klar: Der Gesetzgeber hat einen politischen Gestaltungsspielraum. Dieser endet aber dort, wo das Existenzminimum unterschritten wird. Wir berufen uns auf Berechnungen, die von vollwertiger Ernährung und politischer Teilhabe ausgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Einwand lautet, Sanktionen müssten unbedingt bestehen und seien für die Arbeitsvermittlung notwendig. Ich habe mich vor kurzem mit Mittelstandsvertretern unterhalten und dabei den Eindruck gewonnen, dass es gerade aus Sicht kleiner Unternehmen total kontraproduktiv ist, wenn man bei der Arbeitsvermittlung vor allen Dingen versucht, Erwerbslosen nachzuweisen, dass sie gar nicht arbeitswillig sind, und sie verdonnert, sich überall zu bewerben, unabhängig davon, ob die Stelle zu dem betreffenden Bewerber passt. Für eine nachhaltige Vermittlung ist notwendig, dass die Anforderungen der Stelle sowie die Fähigkeiten und die Vorstellung des Arbeitsuchenden gut zusammenpassen. Wenn nun aber die Bundesagentur für Arbeit Erwerbslose unter der Androhung von Sanktionen verdonnert, sich immer wieder zu bewerben, dann bedeutet das gerade für kleine Unternehmen jede Menge Arbeit bei den Bewerbungen. Das stellt eine zusätzliche Belastung für sie dar. Deswegen sagen wir: Im Sinne einer nachhaltigen Arbeitsvermittlung gehören die Sanktionen abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Die tatsächliche Dekadenz, damals wie heute, ist die Dekadenz der Herrschenden. Doch anstatt diese Probleme zu benennen, schüren Sie Sozialneid zwischen den Armen und den ganz Armen. Das ist ein übles Ablenkungsmanöver.

Die Linke sagt: Wir wollen etwas komplett anderes. Auch wir wollen, dass mehr Geld in die Bildung gesteckt wird. Aber was ich sehr eigenartig finde, wenn Sie hier das Hohelied der Bildung singen, Herr Westerwelle: In dem Haushalt, den Sie mit zu verantworten haben, werden gerade einmal 350 Millionen Euro für Bildung eingestellt. Die Steuerentlastung aber, die Sie vorangetrieben haben, kostet uns ab 2011 jedes Jahr 24 Milliarden Euro. Das sind die wahren Schwerpunktsetzungen, die Sie vornehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke hingegen wollen, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht. Wir wollen, dass keiner unter das Existenzminimum fällt. Wir wollen eine sanktionsfreie Mindestsicherung, einen Mindestlohn von 10 Euro, gute Arbeit und eine Verteilung der vorhandenen Erwerbsarbeit durch Arbeitszeitverkürzung. Kurzum: Wir wollen ein Bündnis für sozialen Fortschritt.
Besten Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

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Weg mit Hartz IV – Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung

Deutscher Bundestag Drucksache 17/659
17.Wahlperiode 10. 02. 2010

Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, MatthiasW. Birkwald, Heidrun Dittrich, Diana Golze, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Weg mit Hartz IV – Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung 🙄

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Regelleistungen bei Hartz IV ist endgültig klar: Hartz IV ist ein Angriff auf den Sozialstaat und Armut per Gesetz. Die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder bei Hartz IV sind verfassungswidrig und nicht existenzsichernd. Damit ist neben der Organisation auch der wesentliche Inhalt des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt worden. Hartz IV ist endgültig gescheitert und muss grundlegend überwunden werden.

Die Einführung von Hartz IV war eine historische Fehlentscheidung. Ihr lag die Philosophie zugrunde, nicht das Fehlen von Millionen Arbeitsplätzen sei das Problem, sondern die mangelnde Motivation auf Seiten der Erwerbslosen und die unzureichenden Betreuungsstrukturen auf Seiten der Arbeitsbehörden. Unter dem Motto „Fördern und Fordern“ wurden die Opfer des Arbeitsmarktes zu Schuldigen umgedeutet. Statt mehr Arbeitsplätze zu schaffen, wurde der Druck auf Erwerbslose erhöht.

Die vorgeblichen Ziele der Reform,

> eine ausreichende materielle Sicherung bei Erwerbslosigkeit sowie

> eine schnelle und passgenaue Vermittlung der Betroffenen in Erwerbsarbeit,

> eine effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung,

wurden allesamt nicht erreicht. Fünf Jahre nach der Einführung von Hartz IV ist offensichtlich: Die Reform ist grundlegend gescheitert.

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die „Aussteuerung“ der Erwerbslosen in das neue repressive Fürsorgesystem des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) mit unzureichendem Leistungsniveau bedeutet Armut und Ausgrenzung per Gesetz. Die Regelsätze sind viel zu niedrig. Weder eine gesunde Ernährung noch eine Teilhabe an der Gesellschaft sind damit möglich. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds haben dazu geführt, dass immer mehr Erwerbslose nur noch Fürsorgeleistungen beziehen. Ihr Anteil liegt heute bei 70 Prozent.

Hartz IV steht damit exemplarisch für den Weg in einen Bedürftigkeitsstaat. Das Hartz-IV-Regelwerk verstößt mit seinem Sanktionsregime, der Entrechtung der Betroffenen, den schikanösen Kontrollen durch sogenannte Sozialdetektive und Zwangsumzüge gegen den Verfassungsauftrag an die Politik, die Würde des Menschen zu schützen (Artikel 1 des Grundgesetzes). Die zu geringen Leistungen begünstigen Fehl- und Unterernährung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, gefährden die Gesundheit der Betroffenen und benachteiligen sie bei der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Teilhabe. Von der in Aussicht gestellten besseren arbeitsmarktpolitischen Förderung und Vermittlung in existenzsichernde Arbeit ist nichts zu spüren. Pflichtarbeiten wie Ein-Euro-Jobs dominieren die Arbeitsmarktpolitik. Hartz IV hat die Furcht vor Armut und sozialem Ausschluss bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineingetragen. Die Drohung mit dem sozialen Absturz wirkt disziplinierend auf die Beschäftigten, schwächt die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften, begünstigt Untertanenmentalität und unterhöhlt so die gesellschaftlichen Voraussetzungen der Demokratie. Hartz IV stärkt die Arbeitgeber im gesellschaftlichen Verteilungskampf, befördert die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die zunehmende soziale Polarisierung bei Einkommen und Vermögen. Statt diese Fehlentwicklungen grundlegend zu korrigieren und Hartz IV einer Generalrevision zu unterziehen, setzt die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP auf die noch stärkere Drangsalierung von Erwerbslosen durch erneut verschärfte Sanktionen und die weitere Ausdehnung des ohnehin schon riesigen Niedriglohnsektors.

Um die Würde des Menschen im Grundsicherungsbezug endlich herzustellen und die Erpressbarkeit von Erwerbslosen und Beschäftigten zu beenden, muss Hartz IV jedoch überwunden und durch eine repressionsfreie und bedarfsdeckende Mindestsicherung ersetzt werden. Diese Maßnahme muss begleitet werden durch eine umfassende Strategie der Schaffung von guter Arbeit für alle Menschen, die eine Erwerbsarbeit suchen, sowie der gesellschaftlichen Umverteilung.

Um Armut zu vermeiden und soziale Teilhabe zu ermöglichen, sind anständige Löhne und leistungsfähige Sozialversicherungssysteme wesentlich. Insbesondere kommt hier einem armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn und der Weiterentwicklung der Sozialversicherungssysteme zu sozialen Bürger bzw. Erwerbstätigenversicherungen eine wichtige Bedeutung zu.

Das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung ist der geeignete Zeitpunkt, einen grundlegenden Kurswechsel zur Überwindung von Hartz IV einzuleiten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, innerhalb der Legislaturperiode gesetzliche Änderungen vorzubereiten und vorzulegen, die sich von folgenden Grundsätzen leiten lassen:

> Mit einer umfassenden politischen Strategie ist Erwerbslosigkeit, Dumping und Niedriglöhnen und der Ausweitung von prekärer Beschäftigung entgegenzutreten und stattdessen existenzsichernde und sozial abgesicherte gute Arbeit zu fördern. Durch ein öffentliches Zukunftsprogramm können zwei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Zusätzlich sind in einem ersten Schritt in der Arbeitsmarktpolitik folgende Maßnahmen umzusetzen:

> Es wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro eingeführt; höhere tarifliche Mindestlöhne werden in den betreffenden Branchen für allgemeinverbindlich erklärt.

> Der Schutz durch die Arbeitslosenversicherung wird nachhaltig verbessert; insbesondere werden das Kurzarbeitergeld und der Anspruch auf Arbeitslosengeld verlängert.

> Die Vermittlung in Erwerbsarbeit ist Aufgabe der öffentlichen Arbeitsverwaltung,
die durch fachlich gut qualifiziertes und festangestelltes Personal
erfolgt. Eine Vermittlung erfolgt nur in Beschäftigung, die den Standards
guter Arbeit genügt.

> Für alle Erwerbslosen ist der Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Integrationsleistungen herzustellen, deren Teilnahme auf Freiwilligkeit beruht. Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen sind als Instrumente wieder stärker zu nutzen. Ein-Euro-Jobs werden abgeschafft und in sozialversicherungspflichtige, tariflich bezahlte Arbeitsverhältnisse in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor umgewandelt.

2. Mit einer bedarfsdeckenden und sanktionsfreien Mindestsicherung müssen die Verarmung und Entwürdigung von allen Erwerbslosen und Menschen mit geringem Einkommen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, beendet werden. Nachfolgende Leistungen müssen als maßgebliche Schritte zu einer bedarfsdeckenden und sanktionsfreien Mindestsicherung gewährleistet werden:

> Einen Rechtsanspruch auf die Mindestsicherung haben alle Menschen, die über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen, um ihren soziokulturellen Mindestbedarf zu decken, und die rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland leben, einschließlich der Asylsuchenden und Flüchtlinge. Diskriminierende Sondersysteme wie das Asylbewerberleistungsgesetz sind abzuschaffen.

> Die Regelleistung für Erwachsene im Mindestsicherungsbezug ist auf 500 Euro pro Monat festzulegen. Die Regelleistung ist jährlich zumindest in dem Maße anzuheben, wie die Lebenshaltungskosten steigen.

> Die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche sind bedarfsorientiert und altersspezifisch zu ermitteln.

> Anzustreben ist die Einführung einer bedarfsdeckenden Kindermindestsicherung, bei der das Einkommen berücksichtigt wird. Erste Schritte dahin bestehen im Ausbau von Vorrangleistungen zur Sicherung des Kindesbedarfs, wie dem Kindergeld, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld.

> Die Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen für Leistungsbeziehende der Mindestsicherung sind deutlich anzuheben. Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung muss spürbar angehoben werden, damit mit dem Bezug der Mindestsicherung nicht bereits Altersarmut vorprogrammiert ist. Die Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen müssen für das Gesundheitssystem kostendeckend sein.

> Nachweisbare Sonderbedarfe werden zusätzlich übernommen. Die bisherigen Anteilssätze für Mehrbedarfszuschläge gelten bis auf Weiteres fort.

> Die allgemeinen Vermögensfreigrenzen sind auf 20 000 Euro pro Person anzuheben.

> Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten sind grundsätzlich anrechnungsfrei.

> Das Rückgriffsrecht des Staates gegenüber den Erben der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher ist abzuschaffen.

> Die Mindestsicherung ist repressions- und sanktionsfrei auszugestalten. Die Sicherstellung der Mindestsicherung ist grundrechtlich geschützt. Dem Charakter als Mindestsicherung entspricht, dass eine Unterschreitung des Leistungsniveaus grundsätzlich auszuschließen ist. Daher sind Sanktionen in der Mindestsicherung abzuschaffen. Die Sanktionsparagrafen im SGB II sind sofort ersatzlos zu streichen.

3. Das Grundrecht auf angemessenesWohnen ist durch die Mindestsicherung zu wahren. Es sind bundesweit einheitliche Methoden und Verfahren für die Bemessung der Leistungen für Wohnung und deren Betriebskosten zu vereinbaren mit dem Ziel, Zwangsumzüge und Ungleichbehandlungen zu verhindern. Es sind Mindeststandards festzulegen. Segregationsprozessen in den Städten ist auf diese Weise entgegenzuwirken.

> Angemessene Wohnkosten sind in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu ersetzen (Maßstab Wohnfläche: Kriterien sozialer Wohnungsbau; Maßstab Mietkosten: Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete, Bruttowarmmiete).

> Ein Umzug ist unzumutbar, wenn er eine soziale Härte darstellt oder die zuständige Stelle keine angemessene Ersatzwohnung nachweisen kann. Grundsätzlich gilt eine Übergangsfrist von einem Jahr, damit die Hilfeberechtigten im ersten Jahr des Leistungsbezugs ihre Bemühungen vollständig
auf die Überwindung der Hilfebedürftigkeit konzentrieren können.

> Die Entstehung von Wohnungslosigkeit ist grundsätzlich zu verhindern.

4. Die rechtliche Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft ist zu überwinden, um die ökonomische Abhängigkeit und Entwürdigung von Erwerbslosen und Menschen mit geringem Einkommen sowie deren Familienmitgliedern zu beenden.

> Die Mindestsicherung orientiert sich am Individualprinzip, d. h. jeder bedürftige Mensch hat einen eigenen Anspruch unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Die unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des BGB dürfen nicht über das Sozialrecht erweitert werden.

> Die Sonderregeln für die Gruppe der jungen Erwachsenen bis 25 Jahre (insbesondere Vorbehalt der Auszugsgenehmigung, reduzierte Regelleistung) sind abzuschaffen; der Status als erwachsene Person mit eigenständigen sozialen Rechten ist ab der Volljährigkeit anzuerkennen.

5. Die mit der Einführung von Hartz IV betriebene Entrechtung der Erwerbslosen ist zu stoppen und rückgängig zu machen.

> Widersprüche der Leistungsbeziehenden gegen belastende Verwaltungsakte der Sozialbehörden müssen stets aufschiebende Wirkung haben. Insgesamt sind die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen rechtswidriges Behördenhandeln zu sichern und zu verbessern. Zudem ist ein transparentes Verwaltungsverfahren zu gewährleisten. Die Prozessführung muss kostenfrei bleiben.

> Die entwürdigende Praxis von Hausbesuchen mit ihrer expliziten Missbrauchsunterstellung ist einzustellen; die Vorgabe, dass die Träger der Mindestsicherung einen Außendienst mit dieser Funktion einzurichten haben, ist abzuschaffen.

> Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist zu beachten.

Berlin, den 10. Februar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung:

1. Hartz IV war eine historische Fehlentscheidung. Die zur Rechtfertigung der Reform angeführten Ziele sind allesamt verfehlt worden.

Von einer ausreichenden materiellen Sicherung bei Erwerbslosigkeit kann keine Rede sein. Unverändert ist zutreffend: Hartz IV ist Armut und Ausgrenzung per Gesetz. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat die Armut unter den Erwerbslosen spürbar erhöht (u. a. DIW-Wochenberichte 50/2007, 38/2008, S. 565; Becker/Hauser: Verteilungseffekte der Hartz-IV-Reform. Baden-Baden 2006). Etwa 200 000 vormals leistungsberechtigte Personen

insbesondere Frauen mit einem erwerbstätigen Partner – haben jeglichen Anspruch auf Unterstützung verloren, obwohl sie weiterhin erwerbslos waren (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – IAB-Discussion paper, 24/2007). Die drastische Verschärfung der Sanktionsbestimmungen (§ 31 SGB II) führt zu einer Vielzahl von Kürzungen bis hin zu komplettem Leistungsausschluss.

– insbesondere bei jungen Erwachsenen bis 25 Jahre (Bundestagsdrucksache 16/13577). Die Leistungssätze für Kinder und Jugendliche im SGB II orientieren sich nicht an deren spezifischen Bedarfen und erhöhen damit die dauerhafte Gefahr von sozialer Ausgrenzung (Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 336/07 vom 29. Oktober 2008). Die marginalen Beiträge zur Rentenversicherung führen dazu, dass pro Jahr Hartz-IV-Bezug lediglich etwas mehr als 2 Euro Rentenanspruch entsteht. Altersarmut unter den Hartz-IV-Beziehenden ist damit vorprogrammiert (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Nationaler Strategiebericht. Sozialschutz und soziale Eingliederung 2008 – 2010, S. 72).

Eine schnelle und passgenaue Vermittlung in Erwerbsarbeit ist nicht erreicht worden. Daten des IAB sprechen hier eine deutliche Sprache: Fast die Hälfte der Leistungsberechtigten war seit 2005 drei Jahre lang ununterbrochen auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Drei Viertel der Betroffenen beziehen das Arbeitslosengeld II mindestens zwölf Monate durchgängig (IAB-Kurzbericht, 5/2009). Bei denjenigen, die aus dem Bezug ausscheiden, findet nicht einmal die Hälfte einen neuen Job (IAB Kurzbericht, 28/2009). Vermittlung findet – wenn überhaupt – in den Niedriglohnsektor statt.

Von einer effizienten und bürgerfreundlichen Verwaltung zu sprechen, verbietet sich angesichts der skizzierten Ergebnisse. Nicht einmal der Aufbau einer zumindest verfassungsgemäßen Verwaltung zur Umsetzung des SGB II ist gelungen. Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. Dezember 2007 entschieden, dass die sogenannten ARGEn eine verfassungsrechtlich unzulässige Verwaltungsorganisation darstellen.

2. Die vorgeblichen Ziele der Einführung von Hartz IV verschleiern die eigentliche Funktion von Hartz IV: die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Disziplinierung der Beschäftigten. Die Funktion der Arbeitsmarktreformen war unter den Überschriften „Fördern und Fordern“ und „Stärkung der Eigenverantwortung“ die massive Einschränkung der sozialen Absicherung, um die Aufnahme jeglicher Beschäftigung zu erzwingen. In dieser Hinsicht war die Reform leider erfolgreich. Die Verantwortung für die Erwerbslosigkeit wurde weitgehend aus dem Versicherungssystem in das Fürsorgesystem SGB II übertragen. Nur noch etwa ein Drittel der Erwerblosen ist durch das Versicherungssystem abgesichert. Damit einher geht ein spürbarer Rückgang der Pro-Kopf-Ausgaben für Erwerbslosigkeit (IAB Kurzbericht, 14/2008). Die Arbeitskosten haben sich für die Arbeitgeber verbilligt; Leiharbeit wurde dereguliert und ausgeweitet und Stammbelegschaften wurden diszipliniert.

Erwerbslose im SGB-II-Bezug werden über drastisch verschärfte Zumutbarkeitskriterien und Sanktionen („Fördern und Fordern“) dazu gezwungen, nahezu jeden Job anzunehmen.
Die „Konzessionsbereitschaft“ der Betroffenen in Bezug auf die Löhne und Arbeitsbedingungen steigt (IAB Kurzbericht, 19/2009). Der eigentliche Zweck der Gesetzes – Ausweitung des Niedriglohnsektors – wird somit erreicht (etwa: IAQ Report 2009-05). Fast jede und jeder vierte Beschäftigte in Deutschland müssen heute zu einem Niedriglohn arbeiten. Das sind ca. 6,5 Millionen Menschen. Sie sind arm trotz Arbeit. Etwa 1,3 Millionen Menschen sind mittlerweile trotz Arbeit auf Hartz-IVLeistungen angewiesen – im September 2005 waren es noch 900 000.

3. Die politisch verantwortlichen Instanzen müssen der sozialen Polarisierung, der zunehmenden Verarmung und Ausgrenzung in der Gesellschaft sowie der Entrechtung und Drangsalierung der betroffenen Menschen entschlossen entgegentreten. Hartz IV hat mit der fundamental falschen Ausrichtung den Sozialstaat beschädigt und damit die Voraussetzungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für eine funktionierende Demokratie unterminiert. Die Überwindung des repressiven Hartz-IV-Systems steht deshalb im Zentrum eines notwendigen grundlegenden Politikwechsels. Mit dem skizzierten Programm zur Überwindung von Hartz IV und zur Einführung einer bedarfsdeckenden
Mindestsicherung sind folgende Ziele zu erreichen:

> Schaffung von mehr Beschäftigung und guter Arbeit;

> Stärkung der Arbeitslosenversicherung und Ausbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors;

> soziale Integration und Teilhabe auf der Grundlage sozialer Rechte;

> Beendigung der Instrumentalisierung der Existenzsicherung als Mittel zur Ausweitung prekärer Beschäftigung, insbesondere durch die Abschaffung der jetzigen Zumutbarkeitsregelungen und des Sanktionsapparats;

> bedarfsdeckende Leistungen für soziale Teilhabe und Sicherung;

> Gewährleistung des Grundrechts auf angemessenes Wohnen;

> Überwindung der Bedarfsgemeinschaftskonstruktion bei Beibehaltung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen;

> Stärkung der Rechtspositionen der Leistungsberechtigten. Damit wird dem Sozialstaatsgebot wieder Geltung verschafft, Langzeiterwerbslosen ein Leben in Würde ermöglicht und die Lage der Beschäftigten verbessert. Der soziale Zusammenhalt und die Demokratie werden dadurch gestärkt und die sozial gerechte Ausgestaltung unserer Gesellschaft befördert.

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Der Blogwart 2.0

Wollte ursprünglich mal über nette Hobbies schreiben, bin dann aber in der "Twilight Zone" des politischen Alltags gelandet.

Sozialsystem Schweiz

Eine unzensierte Kommunikation zwischen einem Sozialhilfeempfänger und dem Sozialamt Bern und Ämter. Dieses Archiv (Mirror1) ist den BGE Generationen gewidmet (Quelle: tapschweiz.blogspot.ch)